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Lexware-Biker Georg Egger beim Stufentest im Radlabor Freiburg. Bild unten: Die Grafik zeigt ein Beispiel für wattgesteuertes Cross-Country-Training. Die obere Kurve zeigt den Puls, die untere die Leistung in Watt. Foto: Goller, Grafik: Theobald
27.10.2014 15:40
Mountainbike-Projekt: Wattgesteuert auf dem Weg nach Rio 2016

Freiburg (rad-net) - In Baden-Württemberg soll ein Verbandsprojekt den Bereich der Trainingssteuerung im Radsport neu angehen und Rückstände gegenüber anderen Nationen ausgleichen. Mountainbiker, Bahnfahrer und BMX-Biker aus dem Nationalkader sowie weitere Probanden aus dem Straßenrennsport sollen daran teilnehmen. Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) unterstützt die Maßnahme in personeller und fachlicher Form in Person von Bernd Ebler, der als vom Bund unterstützer Trainer am Olympiastützpunkt Freiburg tätig ist.

Der Titel der Projektbeschreibung lautet «Einführung leistungsbasierter Trainingssteuerung in den olympischen Radsport-Disziplinen in Baden-Württemberg». Was sich dahinter verbirgt, könnte weitreichenden Einfluss auf die künftige Gestaltung von Trainingsplänen bekommen. In der Cross-Country-Disziplin, aber auch in anderen Radsportdisziplinen wie BMX, Bahn und Straßen-Rennsport. Vereinfacht gesagt, verbirgt sich hinter dem Projekttitel eine Verlagerung respektive Ergänzung der Trainingssteuerung von der Laktat- und Herzfrequenz-Messung auf eine Steuerung durch die Wattwerte, die ein Radsportler in Training und Wettkampf erzeugt.

Die Nachteile von Laktat-Messungen liegen auf der Hand. Beim klassischen Stufentest, bei dem in Drei-Minuten-Abständen der Pedalwiderstand um 20 Watt gesteigert wird, herrschen Laborbedingungen. Häufig stehen aber die hoffnungsvollen Laborwerte nicht in Einklang mit den Wettkampfergebnisse.

Das Problem der Herzfrequenz-Messung

Auch die Herzfrequenz-Messung während des Trainings oder Rennens hat ihre Tücken, weil die Herzfrequenz «träge» reagiert. Im BMX und auch beim Bahnradsport kann eine Steuerung über den Puls aufgrund der Kürze der Belastungen gar nicht erfolgen, weil im Extremfall die Herzfrequenz erst «nachzieht», wenn die Belastung schon vorüber ist.

Auch im Mountainbike-Sport ist eine Steuerung über die Herzfrequenz kaum möglich, weil aus ständig wechselndem Terrain eine dauernd schwankende Belastung resultiert. Die Frequenz dieser Belastungswechsel, bzw. die Intensität, hat im Cross-Country-Sport in den vergangenen Jahren, einerseits durch die Verkürzung der Renndauer und andererseits durch die Veränderung der Strecken-Charakteristiken, deutlich zugenommen.

Die Grafik (siehe unten) mit Daten aus drei Runden auf einem Cross-Country-Kurs verdeutlicht dies. Die obere Kurve ist der Puls, der nach dem Start zwischen 170 und 180 Schlägen pendelt. Mit der unteren Leistungskurve in Watt korreliert das nur in groben Zügen. Die Pulskurve reagiert verspätet. (Der «Absturz» bei Minute 32 ist ein Messfehler).

«Im Anforderungsprofil haben die hohen Intensitäten zugenommen. Die Rennen sind explosiver geworden», erklärt Uli Theobald, warum die Herzfrequenz ein immer weniger taugliches Mittel zur Steuerung geworden ist. Aus diesem Grund nimmt sich das baden-württembergische Projekt der Watt-gesteuerten Trainingssteuerung an. Mit Systemen wie dem bekannten SRM (misst an der Kurbel), Powertap (misst an der Hinterrad-Nabe), Stages (im linken Kurbelarm) oder Garmin Vector (an der Pedalachse) lässt sich die jeweils aktuelle Leistung in Watt ablesen.

Mittels Software kann der Sportler in seinem Cockpit die Leistung unmittelbar erkennen und entsprechend anpassen. Die ausgelesenen Daten erlauben Rückschlüsse auf die Verfassung des Athleten und eine Anpassung der kommenden Einheiten. Dafür ist allerdings das Sammeln und die Interpretation der Daten notwendig. Das obliegt erst einmal Sportwissenschaftler Uli Theobald und OSP-Trainer Bernd Ebler, die das Projekt federführend betreuen.

«Für jede Trainingseinheit Gold wert»

Was die ARGE Radsport Baden-Württemberg, gefördert vom Landessportbund Baden-Württemberg, da anschiebt, bezieht sich zunächst auf die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro. Im Laufe der nächsten Saison soll der Erkenntnisgewinn mit den Projekt-Teilnehmern groß genug sein, um diesen für 2016 sicher und sinnvoll einsetzen zu können. Allerdings können die Sportler auch schon nächstes Jahr davon profitieren.

«Das ist für jede Trainingseinheit absolut Gold wert. Die Werte sind keine Laborwerte, aber gut genug, um damit zu arbeiten», sagt Theobald und verweist auch auf das «Regenerations-Management». Damit lasse sich «die Trainingslast quantifizieren», so Theobald. Und in der Folge auch präziser erkennen, wann besser Ruhe angesagt ist. Bundestrainer Peter Schaupp hat bereits begonnen, solche Systeme in diese Richtung zu benutzen.

Gleichzeitig ist das Ziel des Projekts, die Heim- und Landestrainer mit dem notwendigen Know-how auszustatten und das Ganze irgendwann auch bundesweit auszudehnen. «Wir befürworten diese Initiative des Landesverbands Baden-Württemberg und den eingeschlagenen Weg», sagt BDR-Sportdirektor Patrick Moster. «Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Das muss kommen, vor allem im Mountainbike», so Moster.

Gemessen an internationalen Entwicklungen, das stellt Uli Theobald auch klar, «sind uns die angelsächsischen Länder da weit voraus». Zum Beispiel die Briten, die mit einem finanziellen Großaufwand, ermöglicht durch Sponsor Sky, vor den Olympischen Spielen in London eine Offensive auf diesem Gebiet gestartet haben. Auf deren Daten kann man hierzulande verständlicherweise nicht zurückgreifen.

Daher müssen in Deutschland eigene Werte gesammelt und entsprechend umgesetzt werden. Bei null fangen die Projektverantwortlichen allerdings nicht an. Es wurde schon der ein oder andere Sportler mit einem Mess-System ausgestattet und daraus wurden erste Erkenntnisse gesammelt - der Anfang ist gemacht.

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