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Marcel Kittel war im Vorjahr mit vier Etappensiegen der große Sprintstar bei der Tour de France. Foto: Yoan Valat
30.06.2014 14:42
Tour-Auftakt: Deutsche Sprinter-Elite träumt von Gelb

Baunatal/Leeds (dpa) - Der zweifache deutsche Meister André Greipel und John Degenkolb sind 100-prozentig auf Tour-de-France-Kurs. Bei Marcel Kittel hakt es fünf Tage vor dem Start der 101. Frankreich-Rundfahrt am Samstag in Leeds/England noch ein wenig.

Doch alle drei Topsprinter träumen von einem Doppelschlag zum Tour-Auftakt: Etappensieg und Gelbes Trikot in Harrogate. «Ich bin topfit und freue mich auf England. Meine operierte Schulter behindert mich nur noch beim Einschlafen ein bisschen», sagte Greipel nach seiner Titelverteidigung im trüben Baunatal, wo der Lotto-Belisol-Kapitän aus Rostock Degenkolb im Schlussspurt auf den zweiten Platz verwiesen hatte. Dessen Teamkollege Kittel, im Vorjahr mit vier Etappensiegen der große Sprintstar in Frankreich, kam im nationalen Titelrennen und letzten Aufgalopp mit Mühe ins Ziel. Sein rechtes Bein schmerzte.

«Nur ein Wadenkrampf - nichts Gravierendes, ohne Bedeutung für den Tourstart», wiegelte Kittel-Manager Jörg Werner die plötzlichen Beschwerden seines Schützlings zwölf Kilometer vor dem Ziel ab. «Schon in der vorletzten Runde hatte er mir gesagt, dass es bei ihm nicht so läuft», berichtete Degenkolb von einer Unterhaltung der beiden Giant-Shimano-Kapitäne von unterwegs. «Vielleicht hatte er zu wenig getrunken. Ab morgen ist er in Leeds bei den Physiotherapeuten des Teams in besten Händen», sagte Werner am Montag.

Im niederländischen Team, nicht zuletzt wegen der Stärke der beiden Thüringer erfolgsverwöhnt, scheint es etwas zu rumoren. Nicht nur, weil im Frühjahr bekanntgeworden war, dass sich die Sponsoren möglicherweise zurückziehen. «Bei der Aufstellung unseres neunköpfigen Tourteams wurden wir nicht gefragt. Das Team weiß, wen wir in den Sprints brauchen, aber im Profibereich gibt es manchmal auch andere Prioritäten», berichtete Kittel mit einem Seitenblick auf den Mannschafts-Sprecher, der am Nebentisch im Stadthotel Baunatal saß. «Ich hätte mehr Mitspracherecht gewünscht», ergänzte Degenkolb.

Die beiden Topfahrer mit zusammen zwölf Saisonsiegen hätten beim Saisonhöhepunkt zumindest gerne Johannes Fröhlinger an ihrer Seite gehabt. Stattdessen erlebt der unerfahrene Cheng Li als erster Chinese überhaupt die Tour. Die Nominierung kann durchaus als Konzession an den Fahrrad-Komponenten-Hersteller Shimano und den asiatischen Markt gewertet werden. Sportlich hätte es vielleicht bessere Lösungen gegeben.

Ob es auf dem Weg von Leeds nach Harrogate zu dem von vielen prognostizierten Zwei- Drei- oder Vierkampf kommt, ist fraglich. Kittel, Degenkolb, Greipel und Lokalmatador Mark Cavendish werden als die Sieger in spe gehandelt. Aber nicht nur Tony-Martin-Berater Rolf Aldag warnte nach einer Kursbesichtigung vor den Unwägbarkeiten und sogar großen Gefahren des ersten Abschnitts. «Ein sehr schwieriges Finale auf engen Straßen mit steilen Abfahrten, die von Steinmauern gesäumt werden», beschrieb der Ex-Profi das Szenario in Yorkshire.

«Kein sprintertypischer Kurs», meinte auch Greipel. Jens Voigt, der Routinier aller Routiniers und mit weit über 42 Jahren ältester Tour-Teilnehmer hat «gehörigen Bammel vor den ersten vier, fünf Tagen - das wird gefährlich», sagte der Rekordhalter, der die Tour zum 17 Mal fahren wird. Genauso oft wie die nicht mehr aktiven George Hincapie und Stuart O'Grady.

Im Vorjahr auf Korsika gelang Kittel das begehrte Double aus Etappensieg und der Einkleidung in Gelb, weil die Veranstalter auf einen Prolog verzichtet hatten. «Diesmal wird's deutlich schwerer», vermutete Kittel vor seiner etwas danebengegangenen Tour-Generalprobe in Baunatal.

Degenkolb wartet noch auf seinen ersten Tageserfolg bei der Tour, womit er in den exklusiven Club derjenigen vorstoßen würde, die bei allen drei großen Länderrundfahrten Etappensiege verbuchten. Er freut sich besonders auf die 5. Etappe, auf Paris-Roubaix-Terrain. In der «Hölle des Nordens» war Degenkolb im April auf Rang zwei gefahren. Bei einem gemeinsam erarbeiteten Plan haben die beiden «Giants» immerhin 13 Etappen ausgemacht, die ihnen besonders liegen könnten.


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