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Veröffentlicht am
18.09.2020 20:53:28

Andersen als Ausreißerkönig der Tour - Roglic weiter in Gelb

           Sören Kragh Andersen jubelt über seinen zweiten Etappensieg bei der Tour de France. Foto: Pool/BELGA/dpa
Sören Kragh Andersen jubelt über seinen zweiten Etappensieg bei der Tour de France. Foto: Pool/BELGA/dpa

Champagnole (dpa) - Nikias Arndt hatte sich beeilt und wollte die erneute teaminterne Jubelparty auf der Rue Léon Blum in Champagnole nicht verpassen.

Nachdem der dänische Ausreißerkönig Sören Kragh Andersen den nächsten Etappensieg für das deutsche Sunweb-Team bei der 107. Tour de France eingefahren hatte, war der sogenannte «Road Captain» auch schon als erster Gratulant zur Stelle. «Da werden die Champagnerflaschen knallen. Wir werden es genießen. Dass wir das so perfekt vollenden, hätte keiner mit gerechnet. Ich bin super glücklich», sagte Arndt, der mit seinem sechsten Platz den Erfolg seines Rennstalls komplettierte.

Kurz zuvor hatte Andersen die Gunst der Stunde genutzt und nach einer cleveren Attacke bereits seinen zweiten Etappensieg wie schon in Lyon im Alleingang geholt. «Das macht mich sprachlos. Daran werde ich mich für den Rest meines Lebens erinnern. Auf dem letzten Kilometer habe ich über den Funk schon gehört, dass alle gefeiert haben», sagte Andersen, der nach 166,5 Kilometern von Bourg-en-Bresse nach Champagnole vor dem Slowenen Luka Mezgec und dem Belgier Jasper Stuyven die 19. Etappe gewann.

Es war bereits der dritte Tagessieg für die junge deutsche Mannschaft, die zu den großen Überraschungen bei der Tour gehört. Erfrischend angriffslustig wirbelte das Team immer wieder das Feld durcheinander. So auch am Freitag. Gut 13 Kilometer vor dem Ziel riss der 26-Jährige Andersen aus. Ehe die Rivalen wie Ex-Weltmeister Peter Sagan oder Olympiasieger Greg van Avermaet in der Ausreißergruppe die Gefahr erkannt hatten, war Andersen schon außer Sichtweite. Neben dem Zweifach-Sieger hatte Jungstar Marc Hirschi (Schweiz) noch die Etappe nach Sarran für Sunweb gewonnen und dazu je einmal Platz zwei und drei belegt.

Primoz Roglic gönnte sich im Gelben Trikot eine Verschnaufpause, bevor am Samstag mit dem Bergzeitfahren der Showdown in den Vogesen ansteht. Fast acht Minuten hinter dem Sieger erreichten die Favoriten das Ziel. Mit 57 Sekunden Vorsprung auf seinen slowenischen Landsmann Tadej Pogacar geht der Vuelta-Champion in die letzte Kletterpartie der Tour nach La Planche des Belles Filles. «Ich denke seit Mittwoch bereits an das Zeitfahren. Ich muss konzentriert bleiben und die Arbeit zu Ende bringen», sagt der Slowene.

Auf der 19. Etappe bestand die Arbeit darin, sicher im Peloton mitzurollen. Vorne machte eine starke Ausreißergruppe den Sieg unter sich aus. Auch Sagan und Sam Bennett hatten sich Hoffnungen auf den Tagessieg gemacht, am Ende ging es im Sprint nur um ein paar Punkte für das Grüne Trikot. «Als ich die Gruppe gesehen habe, dachte ich, dass es schwer wird. Mein Glück war, dass sich die anderen nur angeguckt haben», beschrieb Andersen den entscheidenden Moment.

Roglic konnte indes Kräfte sparen für den finalen Schlussakt. Die Favoritenrolle liegt klar bei dem 30-Jährigen, der im vergangenen Jahr bei seinem Vuelta-Triumph Pogacar im Zeitfahren knapp 90 Sekunden abknöpfte. Seit seinem Debüt in der World Tour gewann Roglic bereits vier Zeitfahren bei großen Rundfahrten. Was soll da schon schiefgehen, wo er doch so souverän in den drei Wochen aufgetreten ist?

So cool wie Roglic sind nicht alle in seinem Team. Sein niederländischer Sportdirektor Merijn Zeeman wurde von der Rundfahrt ausgeschlossen, weil er einen Offiziellen während einer Kontrolle der Räder beleidigt haben soll.

Roglic will sich davon nicht ablenken lassen und setzt auch auf die Kraft des Gelben Trikots. «Wenn man es hat, ist es verrückt, was mit den Leuten passiert. Ich versuche davon zu profitieren», sagt Roglic. Ganz unterschätzen darf er den Tour-Debütanten Pogacar aber nicht. Bei den slowenischen Zeitfahrmeisterschaften nach Pokljuka hinauf wurde er Ende Juni vom Youngster düpiert.

So wird der junge Kletterer auch ganz auf die letzten sechs Kilometer setzen, wenn es zum Finale furioso bei der Kletterpartie mit einer durchschnittlichen Steigung von 8,5 Prozent kommt. Der drittplatzierte Kolumbianer Miguel Angel Lopez, der weitere 30 Sekunden zurückliegt, dürfte im Zeitfahren im Bereich von Pogacar liegen und keine große Gefahr darstellen.