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Veröffentlicht am
06.01.2020 15:11:29

Fredy Budzinski: Der Erfinder der «Berliner Wertung» starb vor 50 Jahren

Fredy Budzinski im Jahre 1904. Foto: Unbekannt/Sport-Album der Rad-Welt, 3. Jahrgang
Fredy Budzinski im Jahre 1904. Foto: Unbekannt/Sport-Album der Rad-Welt, 3. Jahrgang

Berlin (rad-net) - Genau heute vor 50 Jahren ist Fredy Budzinski gestorben. Der Berliner prägte den Radsport mehrfach: als Rennfahrer, Journalist, Autor, Funktionär, Erfinder, Veranstalter und Sammler. Und er krempelte mit der Einführung einer Punktewertung das Reglement von Sechstagerennen nachhaltig um.

Budzinski wurde 1879 in Berlin geboren und damit in einer Zeit, in dem der Radsport noch in den Kinderschuhen steckte und gerade auch in Deutschland, das sich inmitten der industriellen Revolution und einem gesellschaftlichen Wandel befand, entdeckt wurde. Entsprechend erlebte er als Jugendlicher und junger Mann den Aufschwung des Radsports und begleitete ihn von Anfang an.

In seiner Jugend fuhr Budzinski selbst Rennen und wurde 1901 sogar Berufsfahrer, doch war zu diesem Zeitpunkt schon klar, dass seine eigentliche Liebe dem Schreiben gehörte. «Am 1. Januar 1901 verliess [sic] ich meine kaufmännische Stellung und wurde Berufsfahrer; dass nicht viel zu holen war, dachte ich mir. Mein grösster [sic] Tag als Professional war der 28. Mai 1901, als ich mit Rütt, Schilling, Heller und Kudela in den Endlauf des Hauptfahrens kam. Ich kam 1 ½ Runden vor Schilling als Vierter ein. Schilling hatte Reifenschaden, dafür konnte ich aber nichts», erzählte Budzinski einst aus seinem Leben als Berufssportler.

Mehrere Jahre lang arbeitete er schließlich als freier Mitarbeiter für die Zeitung Rad-Welt, 1904 wurde er angestellt und 1912 Chefredakteur des Blattes, das eine der ersten reinen Sportzeitschriften Deutschlands war - und eine tägliche (!) Auflage von bis zu 100.000 Stück hatte. Von 1902 bis 1906 war er zudem Funktionär des Deutschen Rennfahrer-Verbandes, der die Interessen der Sportler gegenüber dem Verband Deutscher Radrennveranstalter (VDR) vertrat.

Im Jahr 1875 fand das erste Sechstagerennen im britischen Birmingham statt - damals noch auf Hochrädern -, vier Jahre später erstmals eines in den USA. Diese Rennen wurden von einzelnen Fahrern an sechs Tagen rund um die Uhr bestritten, bis 1899 in New York das Rennen mit zwei Fahrern - inzwischen auf normalen Rennrädern -, die sich abwechseln, eingeführt wurde. 1909 schwappte die Begeisterung für die Sechstagerennen auch nach Deutschland und die erste Veranstaltung dieser Art wurde in Berlin in den Ausstellungshallen am Zoologischen Garten ausgetragen. Sieger der Premiere waren die US-Amerikaner Floyd MacFarland und Jimmy Moran.

Auch Budzinski war schließlich von dieser Marathon-Radsportveranstaltung begeistert und begleitete sie publizistisch bis ins hohe Alter. Aber nicht nur das. 1914 führte er die noch heute gültige Punktewertung für das Zweier-Mannschaftsfahren ein, die deshalb lange Zeit als «Berliner Wertung» bekannt war: Bei Wertungsspurts musste um Punkte gekämpft werden, deren Anzahl die Platzierung der Mannschaften am Ende des langen Rennens bestimmte. So ließ man in Berlin am Schluss des Rennens die noch zusammen liegenden Mannschaften zehn Wertungsspurts ausfahren und ermittelte auf diese Weise die siegende Mannschaft. Das machte das Rennen interessanter und sorgte für eine bis heute anhaltende Beliebtheit: Aktuell läuft das Sechstagerennen in Rotterdam, am Donnerstag, den 9. Januar, fällt der Startschuss in Bremen und Ende Januar sind die Sechstage-Spezialisten in Berlin zu Gast.

Die Einführung dieser neuen Wertung erwies sich aber auch als entscheidend für die weitere Entwicklung des Zweiermannschaftsfahrens von einer reinen Sechstagedisziplin hin zu einer offiziellen Bahnrad-Disziplin, in der es heute auch um Weltmeister- und Olympiaehren geht.

Trotz dessen und seinem Einsatz als Organisator von Rennen blieb Budzinskis Hauptaugenmerk auf dem Schreiben. 1924 wurde Budzinski Chefredakteur der «Bundes-Zeitung», des Verbandsorgans des Bund Deutscher Radfahrer (BDR). Er blieb dies bis 1933, als er unter den Nationalsozialisten wegen seiner jüdischen Frau diese Position verlassen musste. Zudem war er von 1926 bis 1933 Pressesprecher des «Vereins Deutscher Fahrradindustrieller» (VDFI). In den Jahren 1934 und 1935 konnte Budzinski bei der Zeitschrift «Illustrierter Radrennsport», die noch in Privateigentum war, als Chefredakteur arbeiten. Als diese jedoch mit dem Verbandsorgan «Der Deutsche Radfahrer» fusionierte, wurde ihm erneut wegen seiner jüdischen Ehefrau gekündigt. 1936 war er dennoch als Pressechef bei den Olympischen Spielen in Berlin im Einsatz. Nach dem Krieg engagierte Budzinski sich im Wiederaufbau des deutschen Radsports und arbeitete bis ins hohe Alter als freier Mitarbeiter für verschiedene Zeitungen. Im Alter von 90 Jahren starb Fredy Budzinski am 6. Januar 1970 in seiner Heimatstadt Berlin.

Seine zahlreichen Artikel, Bücher und Statistiken bilden bis heute die Basis dessen, was über den Radrennsport in seinen Anfängen bis in die 1920er Jahre bekannt ist. Er hinterließ eine umfangreiche Sammlung zum Thema Radsport mit Tausenden von Fotos, Dokumenten, Programmen, Zeitungsausschnitten und vielen anderen Erinnerungsstücken, die in der Zentralbibliothek der Sportwissenschaft der Deutschen Sporthochschule Köln eingesehen werden kann.


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