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Anna van der Breggen lässt sich von den niederländischen Fans als neue Weltmeisterin feiern. Foto: Innsbruck-Tirol 2018/BettiniPhoto
29.09.2018 16:38
Van der Breggen holt sich den WM-Titel

Innsbruck (rad-net) - Anna van der Breggen ist neue Straßen-Weltmeisterin. Die Niederländerin setzte sich mit über dreieinhalb Minuten Vorsprung als Solistin vor Amanda Spratt (Australien) und Tatiana Guderzo (Italien), die wiederum weitere 1:44 Minuten Rückstand aufwies, durch. Beste Deutsche war Clara Koppenburg, die nach einem guten Rennen auf den 18. Platz fuhr.

Die Frauen zeigten ein aktives Rennen, das über 155,6 Kilometer und vier Berge ging - einmal musste der rund drei Kilometer lange Anstieg im Gnadenwald bewältigt werden und dreimal ging es über die Olympia-Runde mit ihrem sieben Kilometer langen Berg. Vom Start an wurde immer wieder attackiert und schließlich bildete sich ein Spitzenduo mit Aurela Nerlo (Polen) und Ana Sanabria Sanchez (Kolumbien), dem zwar immer wieder Fahrerinnen nachsetzten, aber nie den Sprung nach vorne schafften. Bis zu drei Minuten betrug ihr Vorsprung.

Erste Selektion im Gnadenwald
Nach rund 60 Kilometern, bei der Anfahrt zum ersten Berg, ereignete sich ein Sturz im Feld, bei dem auch Mitfavoritin Annemiek van Vleuten und ihre Landsfrau Ellen van Dijk zu Fall kamen. Das sollte aber keinen großen Einfluss auf ihr Rennen haben, denn schnell fanden sie den Weg zurück ins Feld.

Als der drei Kilometer lange Anstieg im Gnadenwald erreicht wurde, musste die Polin reißen lassen, so dass Sanabria Sanchez alleine an der Spitze des Rennens zurückblieb. Auch im Feld war das Tempo sehr hoch und bei noch mehr als 90 zu fahrenden Kilometern mussten einige starke Rennfahrerinnen reißen lassen, darunter die deutschen Nationalfahrerinnen Lisa Brennauer und Trixi Worrack sowie die beiden Ex-Weltmeisterinnen Amalie Dideriksen (Dänemark) und Chantal Blaak (Niederlande) und Elena Cecchini (Italien). Einige von ihnen fanden aber auf der Abfahrt wieder den Weg nach vorne und ein noch rund 60 Fahrerinnen umfassendes Feld erreichte die Olympia-Runde. Mittlerweile war auch Sanabria Sanchez wieder gestellt worden.

Rivera versucht es als Solistin
Auf dem Weg dahin gab es erneut Angriffe aus dem Feld, auch von starken Fahrerinnen wie Guderzo, Van Dijk und Cecilie Uttrup Ludwig (Dänemark), aber eine Entscheidung wurde dadurch noch nicht herbeigeführt. Vielmehr zerkleinerte sich durch das hohe Tempo am Berg das Feld auf rund 30 Fahrerinnen. Am Gipfel trat dann Coryn Rivera (USA), sonst eher als Sprinterin bekannt, an und holte auf der Abfahrt schnell 30 Sekunden Vorsprung auf das Feld heraus. Auf der Ebenen setzten ihr mit Van Dijk, Spratt – die kurz zuvor noch gestürzt war –, Malgorzata Jasinska (Polen), Emilia Fahlin (Schweden) und Elena Pirrone (Italien) fünf Fahrerinnen nach und schlossen zu Rivera auf. Im Feld kehrte etwas Ruhe ein, da die großen Nationen wie Italien, die Niederlande und USA eine Fahrerin in der Spitzengruppe hatten.

Van der Breggen fährt allen davon
Als jedoch Van Dijk zu Beginn der dritten Überquerung des Berges reißen lassen musste und schnell vom Feld wieder eingeholt wurde, änderte sich die Rennsituation. An der Mitte des Anstiegs, rund 40 Kilometer vor dem Ziel, erhöhte zunächst Van Vleuten im Feld das Tempo und schließlich attackierte Van der Breggen. Sie fuhr schnell zu dem Quartett an der Spitze hin, das daraufhin komplett auseinanderfiel. Zunächst lag sie mit Spratt und Rivera vorne, aber die US-Amerikanerin musste ihre beiden Mitstreiterinnen bald ziehen lassen und als Van der Breggen kurz vorm Gipfel noch einmal antrat, musste auch Spratt einsehen, dass sie nicht mit der Niederländerin würde mithalten können.

Von da an baute Anna van der Breggen ihren Vorsprung stetig aus und kam mit über drei Minuten Vorsprung auf Amanda Spratt ins Ziel. Die Australierin fuhr das Rennen ebenfalls alleine zu Ende und sicherte sich souverän die Silbermedaille.

Der Kampf um Bronze wurde noch einmal spannend. Nachdem Coryn Rivera lange noch auf Platz drei lag, schlossen rund 25 Kilometer vor dem Ziel Emilia Fahlin und Malgorzata Jasinska noch einmal zu ihr auf. Kurz vor der Schlussrunde hatten sich aus dem Feld Carol-Ann Canuel (Kanada), Amy Pieters (Niederlande) und Tatiana Guderzo auch noch auf die Verfolgung gemacht und am letzten Anstieg schlossen sie zu dem Trio auf. Rund 15 Kilometer vor dem Ziel, kurz vor Ende des Berges, setzte sich Guderzo von ihren Kontrahentinnen ab und fuhr solo zur Bronzemedaille.

«In dieser Saison ist es schon oft genug passiert, dass ich kurz vorm Ziel zurückgeholt wurde. Und ich habe nicht gewusst, wie viel Vorsprung ich habe. Ich habe einfach alles gegeben. Bis zur Ziellinie habe ich nur gehofft, dass es klappt», so Van der Breggen im Siegerinterview. «Zwischendurch hatte ich etwas gezweifelt, ob meine Attacke nicht zu zeitig war, aber nachdem wir diese Situation herbeigeführt hatten, habe ich einfach meine Chance genutzt», sagte Van der Breggen zu ihrem Angriff 40 Kilometer vor dem Ziel. Van der Breggen konnte 2016 das olympische Straßenrennen in Rio de Janeiro gewinnen, war schon Europameisterin, siegte zweimal beim Giro Rosa und hat sich in etliche Siegerlisten bei Klassikerrennen wie der Lüttich-Bastogne-Lüttich und Flèche Wallonne eingetragen. Einzig der WM-Titel hatte in ihrer Erfolgsliste noch gefehlt. «Ich bin super happy. Darauf habe ich lange gewartet.»

Für Van der Breggen war es auch die bereits dritte Medaille bei dieser WM: Am Sonntag hatte sie im Mannschaftszeitfahren mit ihrem Profiteam Boels-Dolmans Silber geholt und auch im Einzelzeitfahren am Dienstag war sie Zweite geworden.

Koppenburg in der Gruppe der Favoritinnen
Die deutschen Nationalfahrerinnen hatten sich vor allem zu Beginn des Rennens vorne gezeigt und für Tempo im Feld gesorgt. Vor allem Clara Koppenburg konnte mit einer couragierten Fahrweise überzeugen, bestimmte über weite Teile das Geschehen im Hauptfeld mit, war mit den Favoritinnen lange unterwegs und wurde schließlich 18. (+7:17 Minuten). Die Deutsche Meisterin Liane Lippert kam als 46. und damit zweitbeste deutsche Fahrerin (+10:58) ins Ziel. «Wir hatten auf diesem Kurs keine hohen Erwartungen. Ein Platz unter den ersten 15 war angepeilt, nun ist es ein 18. Rang geworden. Den Rennverlauf im Finale hatte ich mir allerdings anders vorgestellt. Es ist auf den letzten Kilometern nichts mehr passiert», sagte Bundestrainer André Korff nach dem Rennen.

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