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Veröffentlicht am
04.01.2020 16:04:50

Marcel Meisen: «Je schwerer, desto besser»

Marcel Meisen bei der Cross-DM 2019. Foto: Armin M. Küstenbrück
Marcel Meisen bei der Cross-DM 2019. Foto: Armin M. Küstenbrück

Albstadt (rad-net) - Marcel Meisen (Alpecin-Fenix) ist Deutschlands derzeit bester Querfeldein-Spezialist und amtierender Deutscher Meister. Entsprechend geht er natürlich auch bei der Cross-DM am kommenden Wochenende in Albstadt als Topfavorit an den Start. Im Interview spricht der vierfache Deutsche Meister über sein Wettkampf-Muster, seinen berühmten Teamkollegen Mathieu van der Poel und über die Freundschaft mit seinem größten deutschen Rivalen Sascha Weber.

Herr Meisen, vor Weihnachten haben Sie den Weltcup in Namur auf Rang acht beendet. Sie haben sich von Position 25 nach einer Runde noch so weit nach vorne gefahren. Das scheint Ihr typisches Wettkampf-Muster zu sein, oder?

Marcel Meisen: Ja, das ist richtig. Ich würde gerne schneller starten, aber ich kriege das nicht so hin. Ich fahre aber sehr gleichmäßig und bei schweren Rennen wie in Namur werden die Leute müde. Bei schnellen Strecken ist das nicht ganz so.

Fehlt Ihnen in der Startphase die Fähigkeit das Tempo mitzugehen?

Meisen: Im Cross wird in den letzten Jahren immer schneller gestartet. Eigentlich bin ich ein explosiver Fahrer, aber über die Jahre ist mir das vielleicht ein wenig verloren gegangen.

Mit einem besseren Start, glauben Sie, dass sie da auch öfter mal ums Podest mitfahren könnten?

Meisen: Ich denke, bei schweren Rennen kommt man immer auf den Platz wo man hingehört. Deshalb ist das besser für mich. Bei schnellen Rennen, bei denen man am Hinterrad fahren kann, ist es natürlich von Vorteil gleich vorne mit dabei zu sein. Bei vielen Ecken, wie in Koksijde, ist es auch schwer vorbei zu kommen. Aber es ist schwer zu sagen.

Sie fahren für Alpecin-Fenix Straße und Cyclo-Cross. In welcher Disziplin würden Sie sich selbst als Spezialist bezeichnen?

Meisen: Cross fahre ich schon immer, seit ich Rad fahre. Straße habe ich als Vorbereitung auf die Cross-Saison genutzt. Aber jetzt fahre ich in einem Team, das auch Rennen auf höchstem Niveau bestreitet und ich kann auch da eine gute Leistung zeigen. Beim Frühjahrsklassiker Amstel Gold Race habe ich einen super Tag gehabt und konnte gut mitfahren [Meisen prägte in einer Ausreißergruppe das Geschehen mit, Anm. d. Red.]. Bei kleineren Rennen kann ich auch mal eine Etappe gewinnen. Übers Jahr verteilt mache ich kleinere Pausen und ab September geht es in die Cross-Saison.

Sie fahren im Team mit Mathieu van der Poel, der 2019 Amstel Gold Race ja auf sensationelle Art und Weise gewinnen konnte. Wie ist der Superstar denn als Teamkollege?

Meisen: Mathieu ist ein unglaublich freundlicher Mensch und lässiger Typ. Man hat nie das Gefühl, dass man mit einem Superstar unterwegs ist. Er versucht alle im Team mit einzubinden, auch die jüngeren Fahrer. Nachdem wir mit Corendon-Circus [ab 2020 eben Alpecin-Fenix, Anm. d. Red.] größer geworden sind, hatte ich vor der Saison 2019 ein wenig Angst, dass der Charakter als Freundesgruppe von sechs, sieben Cross-Fahrern etwas verloren geht. Aber das war dann überhaupt nicht so.

Ist Mathieu van der Poel so was wie eine Integrations-Figur?

Meisen: Ja sicherlich. Es ist auch was Besonderes mit so einem Talent Rennen zu fahren.

Er kombiniert mit Straße, Cyclo-Cross und Mountainbike gleich drei Disziplinen erfolgreich. Kann man das kopieren oder ist das seinem Talent geschuldet?

Meisen: Drei Disziplinen zu kombinieren ist sicher außergewöhnlich. Vor allem wie er immer den Übergang von einer Disziplin zur anderen schafft. Dass man zwei Disziplinen kombinieren kann, davon war ich aber schon immer überzeugt. Früher war das bei Straßenteams sehr verpönt - die wollten, dass man sich auf die Straße konzentriert. Aber mittlerweile sieht man mehr Straßenfahrer im Cross. Im Hinterkopf ist da auch, das Explosive zu trainieren. Wout van Aert und Mathieu sind da Beispiele, aber es gibt auch andere. Es hat also vielleicht sogar Vorteile das zu tun. Es gibt sicher Spezialisten, aber viele können auch mehr Disziplinen. Ich denke Nino Schurter [mehrfacher MTB-Weltmeister, Anm. d. Red.] könnte auch auf der Straße Erfolg haben.

Die dritte Disziplin, das Mountainbiken, beobachten Sie die nur aus der Distanz?

Meisen: Ehrlich gesagt, fand ich Mountainbiken schon immer interessant. Aber bewusst anschauen tue ich es mir erst wegen Mathieu. Wenn ich Zeit habe, schaue ich die Weltcup-Rennen. Vor allem auch Short Track, das halte ich für eine gute Entwicklung bei den Mountainbikern.

Und selber MTB-Rennen bestreiten?

Meisen: Ich würde gerne mal eine Mountainbike-DM mitfahren, aber das erfordert Vorbereitung. Ich müsste vorher schon Rennen fahren und Weltranglistenpunkte sammeln, damit ich nicht ganz hinten starten muss. Hitze liegt mir nicht, aber das kann man nicht steuern. Ich muss sagen, es kribbelt schon ein bisschen zu testen ob es mir liegen würde. 2020 ist das allerdings nicht vorgesehen.

Zurück zu Ihrer Spezialdisziplin Cyclo-Cross. Sascha Weber wird bei der DM in Albstadt vermutlich ihr größter Konkurrent sein. Wie ist denn das Verhältnis zwischen Ihnen?

Meisen: Wir kennen uns seit Jugendzeiten oder sogar früher und haben uns relativ schnell angefreundet. Wir waren gemeinsam im Trainingslager und mit dem BDR [Bund Deutscher Radfahrer, Anm. d. Red.] unterwegs. Die DM wird wohl auf ein Duell zwischen uns hinauslaufen. Viele andere haben noch nicht bewiesen, dass sie mit uns mithalten können.

Und Sie kennen sich als Rennfahrer natürlich sehr gut.

Meisen: Ja, ich weiß wo seine Stärken sind und was nicht passieren darf. Er weiß es aber auch bei mir.

Sie haben die letzten drei Jahre und insgesamt viermal schon in der Elite das Trikot geholt. Welche Bedeutung hat es für Sie?

Meisen: Übers Jahr betrachtet ist die DM eines der am schwächsten besetzten Rennen, die ich fahre. Das muss man sagen. Aber damit ist eben das Meistertrikot verbunden, der Wiedererkerkennungswert ist groß und deshalb ist es sehr wichtig. Man merkt immer erst, wie wichtig, wenn man es nicht mehr hat.

Die Leistungsdichte in Deutschland ist tatsächlich nicht sehr hoch. Philipp Walsleben fährt kein Cyclo-Cross mehr und Christoph Pfingsten konzentriert sich auch ganz auf die Straße. Nach Eurer Generation klafft eine Lücke. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Meisen: Sicher wurde seitens des BDR früher mehr gemacht. Aber wir waren größtenteils Jungs, denen Cross einfach Spaß gemacht hat. Ich bin in der Nähe von Belgien aufgewachsen, mein Vater hat mich unterstützt und in Kleinmachnow hat man den Sport auch gefördert. Ob es nun Zufall ist oder mehr, das kann man schwer sagen. Der Übergang in die U23 und dann zur Elite ist schwierig und oft wird in Deutschland schnell für die Straße entschieden. Vielleicht zu schnell. In Belgien würde das nicht passieren. Wer im Cross erfolgreich ist, bleibt dort. In Deutschland ist das nicht so lukrativ. Ich hoffe natürlich, dass da in Zukunft mehr kommt. Canyon, Stevens, Focus machen einiges, aber der BDR müsste mehr machen als nur zu den Weltcups zu begleiten.